Durchblick GmbH – Vera Kätsch
Nachruf – Vera Kätsch
* 18. Oktober 1957 ✟ 21. Mai 2019
Sie nannte sich selbst einmal – bei einem kleinen Plausch auf dem Flur der ersten Etage, wo sie seit vielen Jahren ihr Büro und ihre Schulungsräume hatte – eine Kreuzberger Pflanze. Dorthin war sie aus dem Westen der Republik gegangen, als noch eine Mauer um die Stadt lief, und hatte sich, wie viele in der Zeit, in diesem Freiraum entfaltet. Man kann sagen: in allem, was sie begann, wagte sie sich gerne gemeinsam mit anderen in Neuland hinein.
1994, als das Internet noch ein Geheimtipp war, zog sie mit ihrer Computerschule für Frauen, der Durchblick GmbH, als eine der ersten Mieterinnen ins Vorderhaus der neu gegründeten WeiberWirtschaft ein. Sie war eine überzeugte Genossenschaftlerin von Anfang an. Und selbst, als sie sechs Jahre später von dort wegging, blieb sie dem Haus, das sie so tatkräftig mit aufgebaut hatte, engagiert verbunden. Sie arbeitete ehrenamtlich weiterhin im Vorstand mit, später im Aufsichtsrat.
Dann wurde das UCW ihr weiteres, neues Terrain. Und auch dieses wuchs, wurde zu dem Gründungsraum für Frauen, zu dem Haus, das es heute ist, weil Vera von Anfang an mit ihrer stillen Beharrlichkeit, ihrem großzügigen, umsichtigen Wesen, ihrer Gemeinschafts-Energie es mitgestaltete und mitprägte. Eine Computerschule für Frauen? Ja – es konnte doch nicht sein, dass dieses Feld den Männern überlassen sein sollte. Selbstermächtigung war das, was sie ausstrahlte: Ich tue das, was ich für richtig halte, und dieser Mensch bin ich. Mutig in jedes schwierige Gelände hinein: Mochte es so etwas wie Hürden geben, dann waren sie konzentriert und ruhig, besonnen, zu nehmen. Probleme waren als Herausforderung und Wachstumsanstoß zugleich zu sehen. Das strahlte sie aus als Frau, als Geschäftsführerin, als Dozentin, als Kollegin, als Nachbarin, die trotz eines engen Terminkalenders immer Zeit fand, auf dem Gang zwischen Tür und Angel zu plauschen, sich über den neuesten Krimi auszutauschen, den sie gelesen hatte, sich Gedanken über das UCW zu machen, und wie es weiter wachsen und gedeihen konnte.
Sie war mit ihrer herzlichen Ruhe, ihrer augenzwinkernden Freundlichkeit die gute Seele unseres Hauses. Im Vorstand des Fördervereins vertrat sie unsere Interessen im Beirat, auf der Ebene der Bezirkspolitik. Auch nachdem sie ihr Büro hier auflöste, behielt sie ihre Ehrenämter bei, übte sie verantwortungsbewusst und mit gestaltender Hand aus. Weil es ihr einfach so ein tiefes Anliegen war, wie und dass es weitergeht mit dem Haus. Weil sie wusste, dass man sich verändern muss, um dieselbe zu bleiben. Weil Zukunft eine Frage von beharrlichem Gestaltungswillen und mutiger Weichenstellung in der Gegenwart ist.
Vera Kätsch ist letzte Woche in der Nacht zu Dienstag nach längerer Krankheit verstorben.
Vera, wir denken an Dich.